Zusammenfassung
Künstliche Intelligenz ist ein Modewort. Doch schon seit Jahren machen uns «intelligente» Programme das Leben einfacher. Für Augenoptiker*innen und Optometrist*innen bieten sich KI-Werkzeuge als Co-Piloten an. Eine Verdrängung von Fachpersonen ist dagegen unwahrscheinlich.
Publiziert: 10 Monaten her — 

Lesezeit: ca. 6 min. —

 Autor*in: Gilles Stüssi
Zusammenfassung
Künstliche Intelligenz ist ein Modewort. Doch schon seit Jahren machen uns «intelligente» Programme das Leben einfacher. Für Augenoptiker*innen und Optometrist*innen bieten sich KI-Werkzeuge als Co-Piloten an. Eine Verdrängung von Fachpersonen ist dagegen unwahrscheinlich.
Publiziert: 10 Monaten her
Lesezeit ca. 6 min.
Autor*in: Gilles Stüssi

KI in der Augenoptik

Verkauft ChatGPT bald Brillen?

«Künstliche Intelligenz», kurz KI, ist mit enormem Tempo in der Popkultur angekommen. Vor allem generative KI, also Programme, die beispielsweise Texte oder Bilder erzeugen, ist bereits nach kurzer Zeit zum Massenphänomen geworden. Allen voran natürlich ChatGPT, der intelligente Chat-Roboter, der nicht nur Fragen beantwortet, sondern ganze Dialoge führen kann.

In Tech-Kreisen wird von der grössten Revolution seit der Industrialisierung gesprochen. Was für viele noch ein Spielzeug ist, ist für andere bereits ein relevantes Werkzeug, eine Arbeitserleichterung, eine Inspirationsquelle oder auch eine grosse Unsicherheit.

Und das alles über Nacht? Natürlich nicht. Denn KI begleitet uns schon lange. 

Eine Begriffserklärung

«Künstliche Intelligenz» ist ein Gebiet der Computerwissenschaften mit vielen Teilbereichen. Im Bereich der Datenanalyse («Big Data Analytics») werden immense Datenmengen nach Mustern durchsucht. Mit künstlichen neuronalen Netzwerken bauen Neuroinformatiker lernfähige Programme, die mit Daten trainiert werden. KI ist ein Wissenschaftszweig, der lernt, wie «Lernen» genau funktioniert und wie wir diesen Prozess synthetisch nachbilden können.

Intelligent?

Lernen macht intelligent. Genau wie wir Menschen können spezialisierte Computerprogramme Wissen aufnehmen, Zusammenhänge erkennen und daraus einen Erfahrungsschatz aufbauen. Anders als wir Menschen wird ein KI-System immer für genau einen Zweck programmiert.

ChatGPT beispielsweise wurde dafür entwickelt, Fragen zu beantworten. Das Programm basiert auf einem Sprachmodell – einem sogenannten LLM (Large Language Model). Diese komplexen Modelle untersuchen die Beziehungen zwischen Wörtern und beschreiben diese logisch. So wird aus Nomen, Adjektiven und Verben ein Satz, der mathematisch die wahrscheinlichste Antwort auf eine Frage ist. Im Hintergrund werden dazu gigantische Datenbanken mit Texten gezielt durchsucht. Je grösser die Datenbank, umso besser das Ergebnis. Und je mehr Erfahrung ein Programm sammelt, desto sinnvoller ist die Antwort.

Ein Chat-Roboter erkennt also zum einen, worum es in der Frage geht (Kontext) und zum anderen, was die beste Antwort darauf ist. Und das in jeder Sprache, die man ihm anhand von Modellen gezeigt hat. Eine beeindruckende wissenschaftliche Errungenschaft.

Ist «Künstliche Intelligenz» also tatsächlich intelligent? Die Antwort lautet sowohl «ja» als auch «nein». Ja, weil diese Programme zum Lernen ähnliche Mechanismen nutzen wie unser eigenes Gehirn und dadurch immer besser werden. Nein, weil die Aufgabe dabei immer die Gleiche bleibt. Denn die universelle KI, die über ihre Programmierung hinaus selbstständig neue Fähigkeiten erlernen kann, wurde bisher noch nicht entwickelt.

Ohne dass wir es bemerkt haben?

Schon seit vielen Jahren unterstützen uns intelligente Hilfsprogramme in fast allen Lebensbereichen. Ein Paradebeispiel für ein lernfähiges System ist die Tastatur Ihres Smartphones. So hat Apple bereits bei der Entwicklung des ersten iPhones erkannt, dass die winzige Bildschirmtastatur mit normalen Fingern fehleranfällig ist. Dass wir dennoch bequem mit unseren Smartphones tippen können, verdanken wir einem komplexen Algorithmus, der vorausschauend erkennt, was wir schreiben möchten – bis hin zu (erstaunlich präzisen) Wortvorschlägen.

Im Auto findet das Navigationssystem den schnellsten Weg von A nach B und schlägt Schleichwege vor, um Stau zu vermeiden. Mit Kameras und Sensoren nimmt das Bordsystem seine Umgebung wahr und interpretiert die Datenflut quasi in Echtzeit, um uns Hinweise und Warnungen zu geben. Moderne Systeme greifen dann diskret ein, sorgen für beste Drehmomente oder parkieren das Auto sogar automatisch in unheimlich enge Lücken ein. 

Im Internet nutzen wir Suchmaschinen, soziale Netzwerke und Streamingdienste, die scheinbar genau wissen, auf welche Musik oder Filme wir gerade Lust haben. Und neben personalisierten Empfehlungen helfen uns Übersetzungstools und Sprachassistenten.

Vom Staubsaugerroboter bis zur Wettervorhersage übernimmt KI bereits seit geraumer Zeit kleine und grosse Aufgaben und macht unseren Alltag etwas leichter. Mit generativer KI werden viele Assistenzsysteme zugänglicher, nützlicher und – nicht zuletzt – auch unterhaltsamer.

Und in unserer Branche?

Unsere Branche hat eine lange Tradition, neue Technologien und Möglichkeiten so zu nutzen, dass sie Menschen einen Vorteil bieten können. Wir pflegen eine Kultur der Offenheit gegenüber neuen Ideen und nutzen diese von der Diagnostik, der Anpassung und Beratung bis hin zur industriellen Fertigung. «High Tech» ist für uns Alltag – denn praktisch in jedem augenoptischen Fachbetrieb finden sich Instrumente, die vor nicht allzu langer Zeit noch nicht einmal in vielen Augenkliniken zu finden waren.

So lassen sich pathologische Veränderungen wie diabetische Retinopathie, AMD, Glaukom sowie diverse Erkrankungen des vorderen Augenabschnittes (insbesondere Keratokonus und Katarakt) oder an der Netzhaut oft bereits im präklinischen Stadium erkennen. Damit hat auch der «Optiker vom Dorf» die Chance, Veränderungen frühzeitig zu erkennen und damit wertvolle Zeit für seine Kund*innen zu gewinnen. Mit dem gleichen Instrument lassen sich übrigens auch Ortho-K Linsen KI-unterstützt anpassen.

Es gibt Systeme, die sowohl die objektive als auch die subjektive Refraktion automatisch und autonom durchführen. In gerade mal vier Minuten und mit doppelt so hoher Reproduzierbarkeit der Ergebnisse. Im Verkaufsraum messen Videozentriersysteme die Zentrierdaten und Individualparameter.

Mit Scans vom Gesicht können Brillenfassungen im 3D-Drucker angefertigt werden, die perfekt zur Gesichtsanatomie und -physionomie passen und unsere Brillengläser – allen voran ICONIC™ – werden bereits seit den 2000er Jahren intelligent optimiert und individualisiert.

Auch für Brillenträger*innen öffnen sich neue Möglichkeiten: So können Konsument*innen bequem vom Sofa aus ihren Visus bestimmen. E-Commerce Systeme empfehlen zur Gesichtsform passende Fassungen, die dann gleich virtuell anprobiert werden können. Und ja: Auch die PD (Pupillendistanz) lässt sich über die Webcam exakt messen.

Wir, als innovative Glashersteller, lassen keine Chance ungenutzt, unsere Produkte zu verbessern: Neben KI-gestützter Berechnung und Umsetzung von Freiform-Flächen untersuchen intelligente Prüfroboter sowohl die Abbildung als auch die kosmetische Oberflächenqualität. Damit können Produktionsfehler mit hoher Zuverlässigkeit bereits während des Fertigungsprozesses erkannt werden.

All dies ist Status Quo und wird bereits täglich angewendet.

Der Optiker der Zukunft

In der Trendforschung lassen sich Prognosen anhand ihrer Wahrscheinlichkeit erstellen. In der spekulativen Zukunftsforschung verlässt man den sicheren Weg von Daten und Tendenzen und überlegt sich, was sonst noch möglich ist. Dieser «Möglichkeitsraum» kennt nur die Naturgesetze als Grenzen und ist ein schneeweisses Blatt Papier, auf dem alles funktioniert, was wünschenswert, argumentierbar und vorstellbar ist. Auch wenn die Ideen technisch («Die Pille gegen Fehlsichtigkeit») oder gesellschaftlich («Die Welt ohne Geld oder Besitz») noch nicht umsetzbar sind.

Wenn wir uns den «Optiker der Zukunft» oder die «Optometristin von Morgen» vorstellen, entdecken wir vielleicht Elemente, die die Zukunft unserer Branche prägen können. Die nicht nur eine Fantasie sind, sondern zur realistischen Vision werden können.

Eines dieser Elemente betrifft sicher die Beziehung, die wir als Fachpersonen zu unseren Kund*innen pflegen. Diese wird immer zentraler und wird unsere Aus- und Weiterbildung ebenso beeinflussen wie neue Kommunikationskonzepte.

Unsere Branche pflegt die Kultur, offen für Neues zu sein und Innovation gleichermassen zu fördern, wie sie zu fordern. So haben wir früh erkannt, dass uns mit KI Instrumente zur Verfügung stehen, mit denen wir unseren Kund*innen nicht nur beeindruckende Produkte, sondern allgemein eine noch bessere Versorgung anbieten können. Mittelfristig werden wir KI-Werkzeuge noch bewusster einsetzen und langfristig den Versorgungsstandard gemeinsam mit digitalen KI-Co-Piloten noch weiter erhöhen.

Die Entwicklung geht in die Richtung, dass Aufgaben und Kompetenzen dort an Maschinen delegiert werden, wo diese uns Menschen gegenüber im Vorteil sind. Die Fachperson kann sich dann voll und ganz auf die Beratung und eine positive Kundenbeziehung konzentrieren. Dadurch wachsen sowohl die Effizienz als auch das Angebotsspektrum eines Fachgeschäftes.

Wird es mich in Zukunft noch brauchen?

Wissen Sie, was künstlicher Intelligenz fehlt? Intuition. Was romantisch klingt ist im Grunde ein matchentscheidender Faktor zu Gunsten jeder Fachperson. Denn künstliche Intelligenz weiss nicht, ob die Ergebnisse ihrer Berechnungen richtig oder falsch sind. Sie sind nur wahrscheinlich.

Auch wenn also KI bald tatsächlich Brillen verkauft, wird sie immer innerhalb ihrer definierten Grenzen arbeiten. Wir Augenoptiker*innen entwickeln aber ein Bauchgefühl. Wir lieben unseren Beruf und wollen über uns hinauswachsen. Mit unserem Sinn für Ästhetik, Fingerspitzengefühl für die Materialien, mit denen wir arbeiten und viel Empathie, sind wir ganz klar und noch sehr lange Zeit im Vorteil.

Und damit sind wir gleicher Meinung wie ChatGPT.

Wie wir KI für unsere Brillengläser nutzen

Während die Welt noch lernt, mit den jüngsten Entwicklungen umzugehen, ist KI für uns bereits seit Jahren ein wichtiges Werkzeug. Denn Glasdesigns werden immer besser – und damit auch immer komplexer. Unser neustes Glas, ICONIC™, ist das Spitzenglas auf dem Markt und kann nur durch KI-gestützte Algorithmen berechnet werden. Klassische Systeme würden bei dieser Aufgabe an ihre Grenzen stossen.

Bereits seit vielen Jahren setzen wir «Big Data» und «Machine Learning» Technologien für unsere Brillengläser ein und können die Abbildungseigenschaften im virtuellen Raum nicht nur simulieren, sondern auch individuell für die Träger*innen optimieren. 

Mit unseren intelligenten Glasdesignsystemen machen wir unsere Gläser nicht nur besser, sondern auch einfacher: Unsere neuste Progressivglas-Generation kommt mit weniger Parametern aus als die Vorhergehende.

Komplex statt kompliziert. 

Und das Erstaunliche: Es funktioniert. Fast wie Magie.

Interview mit ChatGPT

ChatGPT ist derzeit eine der höchstentwickelten generativen Sprach-KI’s. Das System ist darauf programmiert, Fragen zu beantworten. Deshalb ist es auch möglich, ein Gespräch zu führen. Um herauszufinden, welche Perspektiven die KI für unseren Beruf bietet, haben wir ein Interview geführt. 

Über die Autor*innen
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Gilles Stüssi

Mein Name ist Gilles und bin Augenoptiker. Seit über 18 Jahren bin ich Teil des Eyetech-Teams und lasse mich täglich von der Frage «Was wäre wenn …?» zu neuen Ideen und Perspektiven inspirieren. Ich bin begeistert von Brillengläsern und brenne für Marketing und Kommunikation. Hast Du Fragen oder Anregungen zu diesem Beitrag? Es wäre mir eine Freude, mit Dir ins Gespräch zu kommen!

Über Eyetech

Brillengläser von Augenoptikern für Augenoptiker. Mit dieser Idee wird die Eyetech AG in den frühen 1990ern gegründet. Mit viel Pioniergeist und Lust auf Innovation ist der Glashersteller heute Partner von unabhängigen Fachgeschäften in der ganzen Schweiz. Das einmalige Portfolio von Brillengläsern inkl. CRAFT™ Spezialgläsern und dem hauseigenen Montageservice decken alle Wünsche ab. Die kompetente, persönliche Beratung macht jeden Kontakt mit uns zum schönen Erlebnis. Und die V.EYE.P Werbeagentur bringt das Fachgeschäft näher an ihre Ziele.